FEBRUAR 2020

Ein bisschen
wie die Nacht

Foto von Gavin Watson, Museum of Youth Culture
Worte von James Anderson

In einer neuen Serie, die sich mit der dunkelsten, unwiderstehlichsten und rebellischsten aller Farben beschäftigt, untersuchen wir den anhaltenden Einfluss von Schwarz auf Subkultur und Modelandschaft.

Die Farbe Schwarz wirkte schon immer wie ein Magnet auf Stilsichere und Kreative. Sie wurde auf geheimen Gigs, in Bars, Clubs und auf Raves getragen, in zukunftsweisenden Boutiquen geführt und in Musikvideos, auf Instagram oder begehrten Plattenhüllen gezeigt. Schwarz ist schließlich zeitlos, trendbeständig und wirkt ungezwungen cool. Es überrascht nicht, dass sich auch die richtungsweisendsten Modedesigner der Welt über die Jahrzehnte hinweg die Anziehungskraft der Farbe zunutze gemacht haben. Ausgehend von einer absichtlich eingeschränkten Farbpalette setzten sie die Schwarztöne in ihren neusten Kollektionen für maximale Wirkung bei minimalem Aufwand gekonnt in Szene.

Siouxsie Sioux: Punk-Ikone und Gothic-Göttin

Siouxsie Sioux machte sich überhaupt nichts aus der tristen, beigen Kleidung, die so typisch für das Großbritannien Mitte der 1970er Jahre war. Das Aushängeschild des Punk und die spätere Gothic-Ikone stolzierte bereits in Teenagerjahren mit auffälligen Outfits durch die Vorstadtstraßen, die zwar die Älteren verstörten, aber inmitten der aufkeimenden Punkszene der Hauptstadt viele Bewunderer fanden. Hier würdigen wir ihre spätere Weiterentwicklung hin zum Gothic-Style, der eine ganze Generation junger Frauen dazu veranlasste, in ähnlicher Weise mit dem dunklen Glamour schwarzer Haarfarbe, schwarzer Kleidung und schwarzen Eyeliners zu experimentieren.

Als Siouxsie Sioux (richtiger Name Susan Ballion) in den frühen 1970er Jahren als Teenager im Londoner Vorort Bromley aufwuchs, liebte sie die Musik und den Style von David Bowie und Roxy Music. Sie vergötterte auch die verführerische schwarze Catwoman aus der ursprünglichen Batman-TV-Serie sowie die schwarze, lederbekleidete Emma Peel aus The Avengers. Außerdem fand sie den in der Schwulenszene außerordentlich beliebten Film Cabaret ultra-cool. In der Mitte des Jahrzehnts verschmolzen Aspekte all der oben genannten Trends zu ihrem ganz eigenen Stil, der stets individuell und provokativ war. Siouxsie trug wahllos übergroße Herrenanzugjacken, schwarze Netzstrümpfe, turmhohe Stilettos, eine durchsichtige Netzbluse ohne BH darunter, T-Shirts und Stiefel aus Vivienne Westwood und Malcolm McLarens Boutique SEX, gekrönt von kurzen, stacheligen peroxidblond oder schwarz gefärbten Haaren (damals hatte kaum jemand stacheliges Haar) und dicken schwarzen Lidstrichen. Sie und eine kleine Gruppe von gleichgesinnten, modevernarrten Außenseitern, die den Spitznamen The Bromley Contingent trugen, besuchten die ersten Auftritte einer neuen Londoner Band namens The Sex Pistols, noch bevor der Punk den Mainstream erreicht hatte ...

Im Jahr 1976 standen schließlich Siouxsie plus Steve Severin, Marco Pirroni und Sid Vicious als Siouxsie and the Banshees auf der Bühne beim Punk-Festival des The 100 Club (eine zweitägige Veranstaltung, bei der auch die Sex Pistols auftreten sollten). Sie konnten kaum ihre Instrumente spielen, hatten sich nicht die Mühe gemacht, zu proben, und Siouxsie hatte noch nie zuvor auf einer Bühne gesungen. Aber ganz im Sinne des DIY-Gedankens des Augenblicks führte das kühne Quartett 30 Minuten lang ungeprobten Lärm und Chaos auf, inklusive einer 20-minütigen, klagenden und traurigen Version des Vaterunser. Das war die Geburtsstunde einer neuen Punk-Legende.

Als Siouxsie and the Banshees, wenn auch in anderer Besetzung, in der Folge immer mehr Anerkennung und schließlich auch Chart-Erfolge erlangten, begann eine wachsende Anzahl von Mädchen, den Punk-Look von Siouxsie zu kopieren. Ende der 70er Jahre hatte sich Siouxsie jedoch weiterentwickelt und verwandelte ihr Erscheinungsbild in das einer eher vampirhaften, aber nicht weniger einzigartigen und schwarz gekleideten Galionsfigur der Gothic-Szene. In den frühen 80er Jahren inspirierte sie wieder Legionen von weiblichen Teenager-Doubles, dank ihrer hoch aufragenden Mähne aus schwarzem, gekräuseltem und zurückgekämmtem Haar, schwarzen PVC-Miniröcken, Netzstrümpfen, Gürteln, Armreifen und einem weiß bemalten Gesicht mit schwerem schwarzen Augen-Make-up, das noch dicker und markanter war als zuvor. Sie prägte quasi im Alleingang den „Gothic“-Look für junge Frauen auf der ganzen Welt und wurde zu ihrem glamourösen, aber toughen Idol. Und ihr starker Sinn für Individualität hat in den folgenden Jahrzehnten nie nachgelassen. Heute, in ihren Sechzigern, sieht Siouxsie so wild aus wie eh und je. Ihr Haar ist immer noch tiefschwarz und man sieht sie oft in spektakulären Catsuits, die ihre Freundin, die Modedesignerin Pam Hogg, für sie entwirft. Darüber hinaus inspiriert ihr bahnbrechender Gothic-Look von damals bis heute einige der angesehensten Modedesigner, darunter Hedi Slimane, John Richmond, Rick Owens, Alexander McQueen, Anna Sui, Gareth Pugh, Ann Demeulemeester, Philipp Plein und John Galliano, um nur einige zu nennen. Nicht schlecht für ein Mädchen aus Bromley, das den Mut hatte, anders zu sein.